Menstruationsblut und Ekel

Zehn Jahre Menstruationserfahrung liegen hinter mir, in denen ich es vermieden habe, mit meinem eigenen Monatsblut in Berührung zu kommen.…
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Zehn Jahre Menstruationserfahrung liegen hinter mir, in denen ich es vermieden habe, mit meinem eigenen Monatsblut in Berührung zu kommen. Jetzt stehe ich über der Toilette und kein Weg führt daran vorbei. Die Menstruationstasse, die ich zum ersten Mal benutze, muss da auch wieder raus. Und ich denke, voll eklig, wieso wollte ich das nochmal ausprobieren? Kurz darauf ist die Tasse in meiner Hand. Innen Blut, außen dran Blut und an meinen Fingern Blut. Und der Ekel kommt einfach nicht. 

Erst als ich so ganz ohne den Ekel dastehe, frage ich mich, ob es ihn tatsächlich gibt. Zehn Jahre Menstruationserfahrung, das sind um die hundertdreißig Zyklen. So lange, länger eigentlich, habe ich geglaubt, dass mein Monatsblut eklig ist. Ich habe Tampons entfernt mit möglichst wenig Körperkontakt, Binden ganz schnell eingewickelt und alles so im Mülleimer verstaut, dass nichts davon zu sehen war. Und einmal im Monat habe ich es für meine Pflicht gehalten, mich vor mir selbst zu ekeln. Die Periode habe ich halt, aber besser, sie wird vertuscht. Ich dachte, um die Tasse zu benutzen, müsste ich die Zähne zusammen beißen. Tatsächlich aber wurde dieser Moment zu einer unerwarteten Wendung. 

Heute, um die fünfundsechzig Zyklen später, frage ich mich, wie es zu der Annahme kam, dass Menstruationsblut eklig ist oder was diese Perspektive verstärkt. 

Noch bevor ich zum ersten Mal meine Tage bekam, habe ich gelernt, dass nur eine unsichtbare Periode eine gute Periode ist. Alles, was daran bemerkbar war, wurde zur größten Peinlichkeit auf der Welt. Etwa, dass in der Schule Blut auslaufen könnte oder Zielscheibe der allgemeinen Belustigung über die schwankenden Launen von Menstruierenden zu sein. Im Nachhinein ist es leicht zu sehen, wie einseitig in den meisten Fällen die menstruelle Ausbildung abläuft: Zuhause herrscht oft Überforderung und in der Schule werden die körperlichen Vorgänge sachlich und nur sachlich behandelt. Die wichtigsten Themen: Vermeidung einer Teenie-Schwangerschaft und Vermeidung von sichtbarem Blut. Ich habe mit kühler Sichtweise die biologischen Vorgänge kennengelernt und mit beschämtem Blick die Wahrung der Diskretion. Und in all meiner menstruellen Bildung und Ausbildung kam es mir so vor, als wäre es erwiesen, dass das Monatsblut einfach ekelhaft ist. 

Aus einer Kulmine Stoffbinde wird rote Flüssigkeit ausgewaschen

Menstruationsprodukte und Distanz

Die Annahme, dass Menstruationsblut eklig ist, wird meinem Empfinden nach durch die Beschaffenheit der gängigen Einweg-Produkte noch verstärkt. Die ganze Armee blendend weißer Produkte, die gegen das „Problem“ der Menstruation eingesetzt wird, kontrastiert stark mit der Unordnung, die das Bluten mit sich bringt. Solche Produkte zu verwenden, halte ich keineswegs für falsch, sondern nur nicht passend für mich persönlich. 

Ich glaube, ich kam nie wirklich mit meinem Blut in Berührung bis zum Zwischenfall mit der Menstruationstasse. Davor habe ich Tampons und Binden verwendet, die, sofern rechtzeitig entfernt, einen kontaktfreien Umgang mit der Periode gewährleisten. Auf die Tampon-Fäden ist großer Verlass. Nur blieb mir mein Blut dadurch fremd und nicht geheuer.

Einweg-Produkte scheinen sich nur darum zu kümmern, dass die Blutflut eingedämmt wird, aber nicht darum, dass ich sanft durch diese Tage komme. Meine Periode wird durch die meisten dieser Produkte noch unbequemer, als sie sowieso schon ist. Zu den eigentlichen Krämpfen kommt oft das unangenehme Ziehen eines Tampons, der nicht richtig sitzt. In fünfzehn Jahren habe ich auch nie herausgefunden, wie ich Tampons dazu bringe, richtig zu sitzen. Und am Ende wird die blütenweiße Perfektion eines Tampons in ein glitschig-rotes Ungeheuer verwandelt, natürlich will ich damit nichts zu tun haben. Ich weiß auch nicht, ob es hilft, meine Periode durch die Einweg-Produkte ständig mit Müll zu assoziieren. 

Ekel und Selbstwert

Und was macht das mit mir, wenn ich mich vor mir selbst Ekel empfinde? Es ist ein Moment, in dem ich vor mir selbst zurückschrecke. Ekel ist eine Bewegung von mir weg, er schafft Distanz durch Abwertung, Abwendung und Schreck. Er kreiert nicht nur Unbehagen, sondern führt auch zu einer ablehnenden Einstellung mir selbst gegenüber. Was sich in meinem Fall so auswirkt, dass ich mir die benötigte Ruhephase verweigere, mich also um ein sauberes Badezimmer oder die Steuer kümmere, anstatt darum, mich mit Tee, Schokolade und Wärmflasche gemütlich zu isolieren. 

Wenn ich mich eklig finde, dann habe ich ein offenes Ohr für alles, was mir meinen Selbstwert abspricht, dann bin ich empfänglicher für Selbstzweifel. Dann glaube ich leichter, dass es angebracht ist, respektlos behandelt zu werden. So gesehen ist Ekel eins der Gegenteile von Selbstwertschätzung. Mein Körper wird durch den Ekel zu einem ungemütlichen Ort. Das hält mich unter anderem davon ab, mich in meiner Menstruationszeit zu entspannen. Und ist es nicht das, worum es letztendlich geht? 

Eigentlich tut es ganz schön weh, sich selbst eklig zu finden. Und auch wenn der Ekel an sich nie real war, so waren es doch seine Auswirkungen. Je weiter der Schein-Ekel in die Vergangenheit rutscht, desto größer wird meine Selbstakzeptanz in diesem Bereich. Tatsächlich war die Vorstellung davon, dass das Menstruationsblut eklig ist, viel intensiver und bedrohlicher als die Realität. 

Handzeichnung einer glücklichen und mit sich selbst zufriedenen Frau

Körper, Blut, Natürlichkeit

Ich weiß nicht, wie das mit dem Ekel entstanden ist und wie viele Menschen diese Erfahrung teilen. Aber an Körperfunktionen Gefühle zu knüpfen, die ablehnender Natur sind, ist nicht hilfreich für die Erfahrung des Menschseins. Ich möchte das neurotische Bedürfnis für quietschende Sauberkeit hinter mir lassen und ok damit sein, dass mal ein Tropfen Blut daneben geht. Oder eine Tampon-Ladung. Ich möchte ok damit sein, zu bluten, weniger Energie zu haben, mich zurückziehen zu wollen und es auch tun. Ich möchte mich zu jeder Zeit in meinem Zyklus wohlfühlen. Ich habe keine Lust mehr auf unbequeme Menstruationsprodukte und eine unsichtbare Periode. Und vor allem habe ich keine Lust mehr, mich vor mir selbst zu ekeln. Ich will mich von meiner Menstruation als Teil meiner Lebenserfahrung beeinflussen lassen und die Distanz zu meinem Körper in Nähe umwandeln.

Ich sage nicht, dass Menstruationsblut etwas zum drin baden ist, oder etwas, dass man allen unter die Nase reiben muss, sondern dass es etwas ist, das einen entspannten, natürlichen Umgang verdient. Etwas, das mir keine unangenehmen Empfindungen verursachen muss. Mein Blut ist regelmäßig Teil meines Lebens und darf auch so behandelt werden. Ich begrüße es auch weiterhin nicht, auszulaufen, aber der Gedanke daran ist kein Weltuntergang mehr. 

Wenn mich heute mein Blut in die Isolation schwemmt, dann gebe ich mir Mühe, entspannt durch diese Tage zu kommen. Nähe zu mir selbst zu üben gelingt mir auch dadurch, dass ich Stoffbinden benutze. Durch das Auswaschen von Hand nach jeder Benutzung ist mein Blut für mich ganz natürlich geworden. Ich finde den Stoff viel bequemer, assoziiere meine Menstruationszeit nicht mehr mit Müll und für die Umwelt bedeutet es auch mehr Wertschätzung. 

Mir mein Menstruationsblut so zu vergegenwärtigen, führt dazu, dass ich besser akzeptieren kann, dass meine Menstruation Raum einnimmt. Ich möchte es in meinem Körper gemütlich haben und lerne mehr und mehr, wie das geht. Meine Periode ist kein Problem, sondern das Problem liegt darin, wie sie immer noch von unserer Gesellschaft behandelt wird.

Johanna

Fremde Feder
Manche Kundinnen* von Kulmine und Leserinnen* des Magazins schreiben lieber anonym; sie alle finden sich unter dem Autorinnennamen* "Fremde Feder".
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