„Wechseljahre“ – das betrifft doch Frauen* so um die 50, oder? Statistisch gesehen stimmt das: Durchschnittlich tritt die letzte Menstruation etwa im Alter von 50 Jahren auf. Allerdings gehen der Menopause die Prämenopause und die Perimenopause voraus, sodass erste Anzeichen des „Wechsels“ schon weit vor dem 40. Geburtstag auftreten können.
Zunächst eine Begriffsklärung:
- Menopause: Die letzte Menstruationsblutung
- Prämenopause: Erste Phase mit Veränderungen im Zusammenhang mit der nahenden Menopause
- Perimenopause: Beginnt etwa fünf bis zehn Jahre vor der letzten Menstruation. Der Übergang von Prämenopause zu Perimenopause ist schleichend
- Postmenopause: Beginnt ein Jahr nach der letzten Menstruationsblutung
Wenn die Menopause in den 30ern an die Tür klopft
Was aber, wenn die Perimenopause schon weit früher als erwartet eintritt? Zum Beispiel mit Anfang bis Mitte 30, wenn vielleicht noch gar nicht klar ist, ob ein Kinderwunsch besteht, oder wenn gerade der passende Partner dazu fehlt? Wenn schon Kinder da sind, aber die Familienplanung noch nicht abgeschlossen ist und man noch überhaupt nicht bereit ist, die eigene Fruchtbarkeit ziehen zu lassen? Und was bedeutet das für die eigene Gesundheit, welche körperlichen Folgen sind zu erwarten und was verändert sich, wenn der Zyklus aussetzt?
Diagnose: Verfrühte Ovarialinsuffizienz
Wenn die Menopause vor dem 40. Geburtstag auftritt, spricht man von verfrühter Ovarialinsuffizienz oder Premature Ovarian Failure (POF). Menschen, die davon betroffen sind, merken oft schon mit Anfang bis Mitte 30, dass „etwas nicht stimmt“. Dieses diffuse, anfangs eher unbewusste Gefühl kann sich in unterschiedlichen Symptomen äußern: Der Zyklus gerät aus dem Takt, verkürzt oder verlängert sich, das gewohnte Blutungsmuster ändert sich, es treten Symptome der Perimenopause auf (zum Beispiel Hitzewallungen, trockene Schleimhäute, Gewichtszunahme). Etwa eine von zehn Frauen erlebt vor dem 40. Geburtstag ihre Menopause.
Ein erster Hinweis: Ultraschall der Eierstöcke
Um eine Ovarialinsuffizienz festzustellen, werden im Ultraschall die sogenannten Antralfollikel gezählt (AFC, Antral Follicle Count). Dadurch können Gynäkolog:innen einen ersten Überblick über die Restfunktion der Eierstöcke gewinnen.
Die Hormone FSH und LH
Ein Anzeichen für POF ist ein erhöhter FSH-Spiegel. Das follikelstimulierende Hormon (FSH) wird von der Hirnanhangsdrüse ausgeschüttet, um die Reifung der Eibläschen im Eierstock anzuregen. Sind die Eierstöcke in ihrer Funktion eingeschränkt, reagiert die Hirnanhangsdrüse darauf, indem sie als Ausgleich mehr FSH aussendet. Die Messung des FSH sollte am Zyklusanfang, zwischen Tag drei bis fünf, erfolgen. Oft wird der FSH-Spiegel auch ins Verhältnis zum+ luteinisierenden Hormon (LH) gesetzt. Das luteinisierende Hormon löst den Eisprung und die Ausbildung des Gelbkörpers (Corpus Luteum) aus. Ein LH / FSH-Quotient unter 0,7 kann auf eine eingeschränkte Funktion der Eierstöcke hinweisen.
Gelbkörperschwäche
Ein weiteres Symptom der verfrühten Ovarialinsuffizienz ist eine Gelbkörperschwäche (Corpus-Luteum-Insuffizienz). Hierbei wird in der zweiten Phase des Menstruationszyklus, der Lutealphase, zu wenig Progesteron gebildet. Dadurch verkürzt sich die Lutealphase und es können Symptome wie Schmierblutungen auftreten. Bei Kinderwunsch kann eine Gelbkörperschwäche dazu führen, dass keine Schwangerschaft zustande kommt, da für die Einnistung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter ausreichend Progesteron und eine mindestens 10 Tage andauernde Lutealphase notwendig sind.
Der AMH-Wert – aussagekräftig, oder nicht?
Das Anti-Müller-Hormon, auch AMH-Wert genannt, ist bei POF typischerweise sehr niedrig. Dieses Hormon ist ein Marker für die Eizellreserve, also der Anzahl der noch vorhandenen Eizellen. Über deren Qualität sagt er allerdings nichts aus. Im Alter von Anfang bis Mitte 30 ist ein sehr niedriger AMH-Wert ein Anzeichen dafür, dass die Menopause innerhalb der nächsten zehn Jahre mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten wird. Darüber hinaus gibt der AMH-Wert Auskunft darüber, wie erfolgreich eine Stimulation im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung sein kann. Eine genaue Angabe zum Eintritt der Menopause lässt der AMH-Wert aber nicht zu, deshalb sollte er immer mit Vorsicht interpretiert werden, insbesondere bei jüngeren Frauen* Anfang 30. Solange ein einigermaßen regelmäßiger Menstruationszyklus mit Eisprüngen vorhanden ist, ist auch bei sehr niedrigen AMH-Werten von Fruchtbarkeit auszugehen, sodass Betroffene mit großer Wahrscheinlichkeit noch einige Jahre lang Kinder bekommen können.
Was kann man gegen Ovarialinsuffizienz tun?
Frauen* kommen bereits mit all ihren Eizellen auf die Welt, es werden im Lauf des Lebens keine Eizellen mehr nachproduziert. Sind alle verbraucht oder abgestorben, ist es nicht möglich, neue Eizellen zu gewinnen. Daher ist gegen das Versagen der Eierstöcke an sich gegenwärtig keine medizinische Therapie vorhanden.
Es ist allerdings möglich, Symptome wie Gelbkörperschwäche oder einen Östrogenmangel medikamentös auszugleichen, im besten Fall nicht mit synthetischen, sondern durch bioidentische Hormone. Letztere weisen eine bessere Verträglichkeit auf. Vornehmlich Betroffene mit Kinderwunsch können von einer bedarfsgerechten Zufuhr von bioidentischen Hormonen profitieren.
Betroffene mit Kinderwunsch, die früh vom vorzeitigen Versagen der Ovarialfunktion erfahren, können sich nach Möglichkeit in ihrer Lebensplanung entsprechend anpassen und versuchen, die Umsetzung ihres Kinderwunsches früher zu realisieren.
Perimenopause und Postmenopause – brauche ich eine Hormonersatztherapie?
In dieser Fragen gehen die Meinungen weit auseinander. Die Therapie mit synthetischen Hormonen steht in der Kritik, weshalb Gynäkolog:innen mittlerweile verstärkt mit bioidentischen Hormonen arbeiten. Beispielsweise kann Östrogen lokal als Creme oder Gel angewendet werden; das kann unter anderem sinnvoll sein, wenn die Schleimhäute der Vulvina sich aufgrund von Hormonmangel zurückbilden (vulvovaginale Atrophie). Progesteron kann ebenfalls lokal in Form von Kapseln über die Vagina verabreicht werden.
Bei einer Substitution mit Hormonen ist allerdings zu beachten, dass sie häufig über einen sehr langen Zeitraum eingenommen werden müssen und sie außerdem in der Regel nicht ursächlich wirken, sondern nur Symptome kaschieren. Zudem entstehen längst nicht alle Beschwerden aufgrund der hormonellen Veränderungen. In Begleitung einer erfahrenen Therapeut:in können auch andere Ursachen wie Störungen der Schilddrüse oder der Nebennieren erkannt und der Körper ganzheitlich darin unterstützt werden, die hormonelle Umstellung zu meistern. Da die Wechseljahre häufig auch psychische Themen mit sich bringen, ist es ratsam, eine Ansprechpartner:in zu suchen, die sich mit diesen Veränderungen gut auskennt.
Verfrühte Wechseljahre stehen in einem statistischen Zusammenhang mit Osteoporose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Demenz, weshalb es sinnvoll ist, beispielsweise die Knochendichte messen zu lassen oder den Lebensstil anzupassen, um die Folgen der Ovarialinsuffizienz aufzufangen.
Verfrühte Wechseljahre und Sexualität
Viele Betroffene erleben die Perimenopause als eine Phase, in der sich die Sexualität verändert. Die Libido kann geringer oder stark schwankend sein und die Schleimhäute können empfindlich und / oder trocken werden. Eine übermäßig starke Periode, Schwankungen in der Zykluslänge und Schmierblutungen während des Zyklus sowie Stimmungsschwankungen können sich ebenfalls auf die Sexualität auswirken. Andererseits kann die Perimenopause auch zu einer intensiveren, genussvollen Sexualität führen. Offen für die Veränderungen zu sein und vielleicht auch neue Wege in der Sexualität zu finden, kann in dieser Phase sehr wertvoll sein.
Fazit
Verfrühte Wechseljahre können Betroffene vor große Herausforderungen stellen, im Einzelfall können sie die gesamte Lebensplanung auf den Kopf stellen. Es gibt aber gute Möglichkeiten, die Folgen verfrühter Wechseljahre zumindest teilweise aufzufangen und den Prozess angenehmer zu gestalten. Betroffene können auf jeden Fall davon profitieren, sich von spezialisiertem medizinischem Fachpersonal begleiten zu lassen; sich mit dem Prozess nicht alleine zu fühlen, ist eine fruchtbare Grundlage für eine gelungene psychische Bewältigung.
Die Autorin ist Alba, lektoriert hat Anne Schmuck.
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Liebes Kulmine-Team,
herzlichen Dank für diesen tollen Artikel. Als Betroffene bekommt man häufig erstaunte Blicke, denn leider wissen immer noch zu wenige von der Erkrankung. Es gibt eine Selbsthilfe-Gruppe: https://www.daisynetwork.org/de/