Das Leben ist zyklisch: Überall in der Natur begegnen uns wiederkehrende Rhythmen und Kreisläufe. Wir erleben sie zum Beispiel beim Wechsel von Tag und Nacht, von Ebbe und Flut, beim Mondzyklus oder den Jahreszeiten. Diese Kreisläufe sind natürliche Taktgeber, die unser Leben und unseren Alltag strukturieren: Sonnenaufgang und -untergang bestimmen unseren Tag-Nacht-Rhythmus, die Jahreszeiten prägen unser Erleben von Zeit, und die Einteilung unserer Zeitstruktur in Wochen, Monate und Jahreskreisläufe ist an den Mondzyklus angelehnt.
Auch der Menstruationszyklus ist ein solcher Taktgeber. Zwischen der ersten Menstruation (Menarche) und der letzten (Menopause) erstrecken sich rund 40 fruchtbare Jahre. Diese Zeitspanne wird durch den Zyklus geprägt und strukturiert: Denn die immer wiederkehrenden hormonellen Veränderungen verleihen dieser Lebensphase einen Rhythmus; sie bilden einen stetigen Fluss, der uns begleitet und trägt – mal sanft dahinplätschernd und kaum zu spüren, mal wilder, mitunter unberechenbar wie ein tosender Strom, der uns mitzureißen droht.
Diesen inneren Taktgeber anzunehmen, kann herausfordernd sein. Gleichzeitig steckt darin eine große Chance: Denn genauso, wie es uns zu schaffen macht, gegen unseren inneren Rhythmus zu leben – beispielsweise bei einem Jetlag oder nach einer durchgearbeiteten Nacht – belastet es Körper und Seele, wenn wir unsere zyklische Natur verneinen. Die Sexualhormone wirken sich nämlich nicht nur auf die Fruchtbarkeit aus, sondern beeinflussen zum Beispiel auch dein Energielevel, dein Immunsystem, die körperliche und mentale Leistungsfähigkeit, die Schlafqualität und viele weitere Faktoren. Unzählige Vorgänge in deinem Körper reagieren auf die natürlichen Schwankungen deiner Hormone, und deshalb ist es entscheidend, ihre Veränderungen zu verstehen und anzunehmen.
Aller Anfang ist ein Abenteuer: Menarche

In Europa liegt das Durchschnittsalter bei der ersten Menstruation heute bei ungefähr 12,5 Jahren. Wenn die erste Blutung einsetzt, hat der Körper bereits eine ganze Menge Vorarbeit geleistet: Bereits zwei bis drei Jahre zuvor hat die Hypophyse damit begonnen, das follikelstimulierende Hormon FSH auszusenden, um den Eierstöcken zu signalisieren, dass sie ihre Arbeit aufnehmen können. Die Eierstöcke haben ihrerseits angefangen, Östrogene zu bilden, die wiederum den sogenannten Weißfluss auslösen: Das ist ein Sekret, das im Gebärmutterhals gebildet wird und in der Zeit bis zur ersten Blutung immer häufiger auftaucht. Nach der Menarche wird dieses Sekret Zervixschleim genannt.

Zu Beginn ist das Zyklusgeschehen für den Körper noch Neuland. Deshalb sind unregelmäßige Zyklen in den ersten 7-8 Jahren nach der Menarche vollkommen normal. Die Hormonproduktion muss sich erst einspielen, und es gibt keinen Grund, in den natürlichen Ablauf einzugreifen oder den Zyklus durch die Pille künstlich zu „regulieren“. Ungefähr ab dem 20. Lebensjahr erleben die meisten Menstruierenden dann zunehmend stabilere, regelmäßigere Zyklen (Spoiler: Aber das bedeutet noch lange nicht, dass 28 Tage die Norm wären oder der Zyklus immer gleich lang sein muss!)
Die fruchtbaren Jahre

Obwohl uns in den verschiedenen Lebensphasen sehr unterschiedliche Zyklusformen begegnen können, läuft dein Zyklus in der Regel nach einem bestimmten Grundmuster ab. Je besser du dieses Muster kennst, umso leichter wird es dir fallen, Abweichungen zu verstehen und zu erkennen, warum sich dein Zyklus in bestimmten Lebenssituationen verändert und was eigentlich in deinem Körper passiert, wenn dein Zyklus unregelmäßig wird oder Beschwerden verursacht.
Der Zyklus beginnt mit dem ersten Tag der Menstruation. In dieser Zeit wird die Schleimhaut in der Gebärmutter abgelöst und zusammen mit etwas Blut durch die Vagina hinaustransportiert. Mit dem Einsetzen der Blutung beginnt die erste Zyklusphase: die Eireifungsphase. Unter dem Einfluss des Hormons FSH reifen in den Eierstöcken zunächst mehrere Eizellen heran. Dabei produzieren sie Östrogene, die den Zervixschleim im Gebärmutterhals verflüssigen, sodass er vom Gebärmutterhals hinabfließt und du ihn an der Vaginalöffnung bemerken kannst. Mit dem Voranschreiten der Eireifung verändert sich die Konsistenz des Zervixschleims: Je näher der Eisprung rückt, umso flüssiger, nasser, dehnbarer oder glasiger wird er.

Sobald eine Eizelle sprungreif ist, platzt das schützende Eibläschen auf und entlässt die Eizelle in den Eileiter, wo sie in den nächsten 12-18 Stunden befruchtet werden kann. Die aufgeplatzte Hülle des ehemaligen Eibläschens bleibt im Eierstock zurück und wandelt sich dort in die Gelbkörperdrüse, die damit beginnt, das Gelbkörperhormon Progesteron zu bilden. Progesteron wirkt unter anderem auf die Körpertemperatur und lässt sie leicht ansteigen. Dieser Temperaturanstieg ist messbar: Bis zur nächsten Menstruation liegt deine Temperatur jetzt ungefähr 0,2-0,5 °C höher als in der ersten Zyklusphase.
Ist keine Schwangerschaft eingetreten, sinkt das Progesteron ab und es kommt zur Blutung, mit der der nächste Zyklus beginnt – und das von der Pubertät bis in die Wechseljahre ungefähr 400 Mal in unserem Leben.
Der Kreis schließt sich: Menopause

So wie sich der Zyklus in den Jahren nach der Menarche erst langsam einspielt, so entwickelt sich die Fruchtbarkeit schließlich in den Wechseljahren wieder zurück. Im Durchschnitt setzt die allerletzte Blutung mit 51 Jahren ein, allerdings ist auch hier die Spannbreite groß. Genau wie in der Pubertät dauert es auch im Wechsel einige Jahre, bis die hormonelle Umstellung vollzogen ist, und auch in dieser Zeit sind zunehmend unregelmäßige Zyklen normal.
Dabei zeigen sich die ersten Veränderungen häufig schon mit Anfang 40. Meist verkürzen sich die Zyklen zunächst, bevor sie allmählich länger und unregelmäßiger werden und die Menstruation seltener kommt. Auch in der Peri- und Prämenopause lässt sich die eigene Fruchtbarkeit noch gut anhand des Zervixschleims beobachten: Die Phasen mit sichtbarem und spürbarem Zervixschleim werden immer seltener, dafür tritt aufgrund des sinkenden Östrogens zunehmend Trockenheit auf.
In der Regel unregelmäßig: Zyklen sind individuell
So konstant und stetig diese Abläufe auch klingen mögen, so unterschiedlich sind Zyklen in der Realität. Tatsächlich sind die individuellen Schwankungen viel größer, als wir oft annehmen: Denn nicht nur die aktuelle Lebensphase, sondern auch unser Lebensstil, äußere Einflüsse und Faktoren wie Erkrankungen, Stress, Diäten oder Sport wirken sich auf den Zyklus aus und sorgen dafür, dass der innere Rhythmus manchmal alles andere als ein sanft dahinplätschernder Fluss ist.
Bis heute hält sich hartnäckig die Vorstellung, ein „normaler“ Zyklus dauere 28 Tage. Das ist falsch – und der Grund für diese Annahme sind nicht etwa biologische Fakten, sondern schlicht das klassische Einnahmemodell der Pille, das einen 28-Tage-Zyklus definiert. Aus medizinischer Sicht gelten Zykluslängen zwischen 23 und 35 Tagen als normal, und bei den meisten Menstruierenden schwankt die persönliche Zykluslänge innerhalb eines Jahres um rund 7 Tage oder mehr – all das ist ganz normal und kein Grund zur Sorge.
Tatsächlich sind Zyklen in der Realität vor allem eins: nämlich individuell. Sie verändern sich im Lauf der Jahre, sie variieren ihr Tempo und ihre Intensität, sie weichen aus den unterschiedlichsten Gründen vom gewohnten Ablauf ab und spiegeln damit häufig unsere aktuelle Lebenssituation. Diese Schwankungen sind nicht etwa Ausdruck eines Ungleichgewichts, sondern einfach das Wesen deines Zyklus: Denn der besteht ja gerade aus hormonellen Schwankungen und sich ständig verändernden Hormonspiegeln.
Zyklusbewusst leben
Oftmals spüren wir die Auswirkungen der hormonellen Vorgänge im Körper ganz konkret im Alltag: Du fühlst dich nicht in jeder Zyklusphase gleich, bist vielleicht unterschiedlich energiegeladen oder motiviert für bestimmte Aufgaben oder bemerkst, dass du zu manchen Zeiten ein stärkeres Bedürfnis nach Ruhe und Rückzug hast. Diese unterschiedlichen Qualitäten der einzelnen Zyklusphasen spürt nicht jede auf die gleiche Weise: Du musst nicht zwangsläufig vor Energie sprudeln, wenn du deinen Eisprung hast, und genauso wenig ist schlechte Laune vor deiner Menstruation vorprogrammiert. Dein Zyklus ist individuell, und es lohnt sich, auf deinen Körper zu achten und die eigenen Bedürfnisse kennenzulernen.

Ein Zyklustagebuch kann dir dabei helfen, Muster zu erkennen, dir der Zusammenhänge bewusst zu werden und deinen natürlichen Rhythmus anzunehmen. Wenn du noch genauer verstehen willst, was in deinem Körper passiert, kannst du NFP zur Zyklusbeobachtung lernen. Das Wissen um die unterschiedlichen Zyklusphasen und ihre Auswirkungen auf dein Wohlbefinden schenkt dir Kompetenz für deinen Körper und Selbstermächtigung. Es hilft dir, dich mit deinem inneren Rhythmus anzufreunden, deine Bedürfnisse zu erkennen und selbstfürsorglich zu handeln.