Hintergrund: In Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch nur unter einigen bestimmten Bedingungen möglich: nach Beratung in einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle, bei medizinischer Indikation oder bei einer kriminologischen Indikation. Ohne eine Beratung oder entsprechende Indikation gilt der Abbruch einer Schwangerschaft als Straftat und wird nach Paragraf 218 und 219 des Strafgesetzbuches geregelt. Sowohl die Patientin als auch die durchführende medizinische Fachperson können strafrechtlich verfolgt werden.
Eine Praxis zu finden, die einen Abbruch anbietet, ist für Betroffene oftmals nicht einfach, darüber hinaus gibt es wenig zugängliche Information darüber, wie genau ein Abbruch durchgeführt wird. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der § 219a die Information über Schwangerschaftsabbrüche restriktiv handhabt.
Rechtliches
Der Paragraph 219a StGB regelt, dass Ärzt:innen, Krankenhäuser und Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, dafür nicht werben dürfen. Seit der Neufassung des § 219a im Jahr 2019 dürfen Ärzt:innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, darüber öffentlich informieren, zum Beispiel im Internet; weiterhin untersagt ist es allerdings, detailliert den Ablauf eines Abbruchs und die dabei angewandten Methoden zu beschreiben. Das Verbot betrifft lediglich die Personen, die von einem Schwangerschaftsabbruch finanziell profitieren würden, also die durchführenden Ärzt:innen und Institutionen. Alle weiteren Ärzt:innen sowie nicht-medizinisches Personal machen sich bei der Information über Schwangerschaftsabbrüche nicht strafbar.
Der Fall Kristina Hänel
Die Allgemeinärztin Kristina Hänel führt in ihrer Praxis in Gießen bereits seit über 20 Jahren Schwangerschaftsabbrüche durch. Um Betroffene schon im Vorfeld über die unterschiedlichen Methoden des Abbruchs zu informieren (medikamentös, chirurgisch mit örtlicher Betäubung, chirurgisch mit Vollnarkose), hatte Kristina Hänel die relevanten Informationen auf ihrer Website zugänglich gemacht.
Nachdem radikale Abtreibungsgegner:innen geklagt hatten, wurde Kristina Hänel die online verfügbare Information als “Werbung für Schwangerschaftsabbrüche” im November 2017 verboten und mit einer Geldstrafe belegt.
Im Dezember 2019 kam es zu einem erneuten Urteil gegenüber Kristina Hänel, sie darf weiterhin nicht auf ihrer Website über die Art und Weise informieren, wie in ihrer Praxis Abbrüche durchgeführt werden. Im Januar 2021 legte sie eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein.
Aktiv werden für reproduktive Gerechtigkeit!
Wir bei Kulmine sind davon überzeugt, dass Informationen über Schwangerschaftsabbrüche zur Selbstbestimmung eines jeden Menschen gehören. Jede betroffene Person sollte ihre Entscheidung für oder gegen einen Abbruch auf der Basis sachlicher, detaillierter Information treffen können, dazu gehört, zu wissen, welche Praxis welche Methoden des Abbruchs anbietet. Reproduktive Gerechtigkeit entsteht nämlich erst dann, wenn eine schwangere Person eine informierte Entscheidung frei von Unsicherheit und Ängsten treffen kann.
Auf Basis dieser Überzeugung stellen wir die Informationen zur Verfügung, die Kristina Hänel momentan nicht publik machen darf.
In den folgenden PDFs hat das Solidaritätskomitee die Informationen veröffentlicht, die Kristina Hänel bisher auf ihrer Website zum Thema Schwangerschaftsabbruch für ihre Patient*innen zur Verfügung gestellt hatte:
PDF Deutsch • PDF Englisch • PDF Türkisch
Bücher von/mit Christina Hänel im Autorenwelt-Shop
Das Politische ist persönlich. Tagebuch einer „Abtreibungsärztin“ • Hänel, Kristina (2019)