Dieser Beitrag ist Teil 2 unserer Reihe zum Thema „Menstruation und Trans“. Hier findest du eine allgemeine Einleitung zu dem Thema sowie Erklärungen und Definitionen zu verwendeten Begrifflichkeiten.
Gastbeitrag Nr. 2:
Hannah lebt mit einer dissoziativen Identitätsstruktur. Das bedeutet, sie erleben sich selbst als Viele in einem Körper. In ihrem Blog Ein Blog von Vielen schreiben sie seit vielen Jahren darüber, wie das ist und was sie beschäftigt. Auch ihre Menstruation war dort schon Thema. Für diesen Gastbeitrag haben sie noch einmal auf ihren Bericht zurückgeblickt und neue Erfahrungen festgehalten.
Vor fünf Jahren schrieben wir den Artikel der Bindentest und die Männlichkeit im menstruierenden Körper. M., der damals die Binden für uns getestet hat, gibt es so nicht mehr. Er ist so sehr Teil von mir, dass ich seine Männlichkeit nicht mehr als „männlich, so wie M. ist“ fühle, sondern eher als „das männliche, neben allem anderen von mir, das mich zu einer nicht binären und also im weiteren Sinne trans Person macht“. Was Menstruation für uns heute vor allem bedeutet, ist das Ende einer Woche von zunehmender Genderdysphorie und der Anfang einer Woche der Trauer um eine Schwangerschaft, die hätte sein können, aber nicht werden konnte.
Erleben der Menstruation heute
Wenn wir heute bluten, dann schwellen die Finger, die Füße, der Bauch, die Brüste wieder ab, die prämenstruelle Stimmungslage hellt sich auf. Es wird wieder leichter, Dinge zu machen, die uns guttun – unter anderem auch Umfelder und Kontakte zu verlassen, die unsere geschlechtliche Identität missachten oder ignorieren. In den letzten fünf Jahren hatten wir keine Ruhe mehr für freies Menstruieren – und auch nicht mehr die dissoziative Distanz zum Trauma sexualisierter Gewalt, die dazu beitrug, dass wir Viele wurden. Es ist uns zuweilen unerträglich zu fühlen, wie man aus der Vagina blutet und wir sind froh, nach wie vor die meiste Zeit der Blutung auf Menstruationstassen zurückgreifen zu können und die Kulmine-Stoffbinden eher für die letzten Tage zu nutzen.
Zustand der Stoffbinden
Die Binden sind nach fünf Jahren immer noch absolut gut in Schuss. Keine heraushängenden Fäden, die Nähte sitzen. Der Stoff hat nicht gefranst, nichts ist verzogen. Gerade bei den Flügelbinden mit Druckknopf hatte ich erwartet, bald Rost zu entdecken, doch sie sind immer noch völlig in Ordnung. Verfärbt haben sie sich vom Menstruationsblut auch nicht – aber von einem Medikament, das wir eine Zeit lang nehmen mussten. Das zeigt uns, dass sie ihr Geld wirklich wert sind. Tatsächlich haben wir in den letzten fünf Jahren kein Geld mehr für Menstruationshygiene ausgegeben, was schon sehr toll ist, wenn man sich mal grob überschlägt, was Tampons pro Monat oder pro Jahr kosten – und auch der Umwelt und also unser aller Zukunft zuliebe begrüßenswert.
Was mir vor fünf Jahren wichtig war
Vor fünf Jahren war mir wichtig zu vermitteln, dass in vielen Binden und Tampons Pestizid- und Bleichmittelrückstände gefunden wurden, dass der Müll ein Problem ist und dass viel des Marketings von Menstruationshygieneprodukten dazu beiträgt, zu definieren, was weiblich ist, was hygienisch ist, was sicher ist. Heute erscheint es mir fern, wie viel Abwehr und Furcht und auch Abwertung ich selbst meinen Körperfunktionen gegenüber hatte, bedingt durch sexistisches Marketing und sich im Zusammenspiel mit der patriarchalen cis-hetero-zentrierten Gesellschaft entwickelnden Wertvorstellungen. Und wie schwierig es jedes Mal war, auszuhalten mit verzerrter Bodypositivity konfrontiert zu werden, die mich als trans Person, die Behinderung und Traumafolgen im Leben hat, überhaupt nicht mitdenkt, aber trotzdem den Appell an mich richtet, mich doch zu lieben und meinen Körper zu feiern.
Meine Haltung zur Menstruation
Heute weiß und merke ich sehr deutlich: Mein Körper ist einfach da. Ich bin einfach da. Daran ist nichts positiv und nichts negativ, aber alles lebendig. Mich darauf zu konzentrieren und zu schauen, wie und womit ich mein Leben, mit ihm und all seinen Funktionen, Bedarfen und Potenzialen so gestalten kann, dass ich gut zurechtkomme, mich wohlfühle und an eine lebenswerte Zukunft glauben kann, ist für mich allgemein sehr wichtig geworden. Meine Menstruation ist nur ein kleiner Teil meines Lebens, aber er ist einer, der mein Leben jeden Monat erheblich beeinflusst. Dafür eine gute Lösung gefunden zu haben, ist mir sehr wertvoll geworden.