Mythos 1: Weißfluss bedeutet, dass die Menarche bald einsetzt
Weil vielen Menschen Wissen zum Zyklus und der Menstruation fehlt, gibt es auch heute noch viele falsche Vorstellungen rund um diese Vorgänge. Das gilt auch für die Flüssigkeit, die aus der Vagina fließt: Häufig wird sie “Ausfluss” genannt – dabei stimmt dieser Begriff eigentlich nur dann, wenn eine Krankheit (zum Beispiel eine Pilzinfektion) vorliegt. In den meisten Fällen besteht diese Flüssigkeit aus Zervixschleim, der sich im Verlauf des Zyklus unter dem Einfluss der Sexualhormone (Östrogene) verändert und ganz unterschiedlich aussehen kann. Mehr Information zu Ausfluss und Zervixschleim findest du in unserer Menszyklopädie.
In der Zeit vor der Menarche werden die zyklischen Veränderungen des Zervixschleims noch nicht so deutlich. Dennoch fangen die Östrogene schon eine ganze Zeit vor der ersten Blutung an, im Körper zu arbeiten. Dabei steigt der Östrogenspiegel immer wieder etwas an und fällt dann auch wieder ab. Diese kleinen “Wellen” von Östrogen führen zu dem Auftreten von Zervixschleim. Dieser kann individuell ganz unterschiedlich aussehen und ist zu Beginn häufig weißlich – daher auch der Name “Weißfluss”.
Es handelt sich bei dieser Flüssigkeit also um ein ganz normales Körpersekret, das im Zyklusverlauf auftritt – nicht nur vor der ersten Blutung, sondern immer dann, wenn die Eierstöcke arbeiten und Östrogen im Körper vorhanden ist. Man könnte daher auch vor der Menarche bereits von Zervixschleim sprechen, denn genau das ist Weißfluss. Zervixschleim kommuniziert immer etwas über die Phasen des Zyklus. Wer sich mit den Vorgängen im Zyklus auskennt, kann die Aussagen des Zervixschleims “übersetzen“ und Rückschlüsse auf den eigenen Zyklusverlauf ziehen.
Und wie ist das nun mit dem Zervixschleim vor der Menarche? Leider gibt er uns keine konkreten Hinweise darauf, wann die erste Blutung anfängt. Der Schleim kann theoretisch ziemlich lange vor der ersten Blutung auftauchen – er sagt nur aus, dass die Östrogenproduktion im Körper aufgenommen wurde.
Mythos 2: Am Anfang darf man nur Binden benutzen
Richtig ist, dass für die Menarche ein Periodenprodukt genutzt werden sollte, das möglichst einfach anzuwenden ist. Häufig sind das Binden (ob für den einmaligen Gebrauch oder aus Stoff). Dennoch liegt die Entscheidung über das verwendete Produkt aber ganz bei der menstruierenden Person, und das unabhängig vom Alter oder der Anzahl an Blutungen, die sie hatte. Wenn jemand also direkt im zweiten Zyklus mit (kleinen) intern getragenen Menstruationsprodukten experimentieren möchte, dann ist das genauso legitim, wie erstmal eine Weile (oder für immer) Binden zu verwenden.
Wichtig ist: Das gewählte Produkt hat Einfluss darauf, wie die Menstruation erlebt wird. Wenn also das ursprünglich gewählte Produkt als unangenehm empfunden wird, ist es sehr wichtig, die Vielfalt an Möglichkeiten aufzuzeigen und dazu zu ermutigen, auszuprobieren, welche Produkte besser zu den eigenen Bedürfnissen passen.
In diesem Zusammenhang kann auch kurz der Mythos um das “Jungfernhäutchen“ aufgegriffen werden, auch wenn dies nicht unmittelbar mit der Menarche verbunden ist: Manchmal werden intern getragene Menstruationsprodukte für junge Menschen abgelehnt, aus Sorge, dass dieses Häutchen “kaputt gemacht“ werden könnte.
Aber: Das “Jungfernhäutchen“ gibt es gar nicht! Tatsächlich liegt hinter der Vaginaöffnung lediglich ein dünner Schleimhautkranz, der dehnbar ist. Das griechische Wort dafür ist Hymen, es kann aber auch Vagina-Corona genannt werden (“Krone der Vagina”). Diesen Kranz gibt es ganz unabhängig von Sex, bei dem die Vagina den Penis umschließt und unabhängig von intern getragenen Produkten für die Blutung.
Mehr Informationen zum Thema Hymen gibt es in der Menszyklopädie.
Mythos 3: Die Menstruation ist am Anfang unregelmäßig
Es kann durchaus sein, dass der Zyklus am Anfang etwas Zeit braucht, um sich einzupendeln. Häufig täuscht aber auch das eigene Empfinden: Wenn die Blutung jedes Mal in einem Menstruationskalender notiert wird, kann schnell entdeckt werden, ob sie schon ihren eigenen Takt hat, oder ob die Zyklen wirklich so unterschiedliche Längen haben. Ein Zyklus von ungefähr 40 Tagen ist dabei genauso regelmäßig wie ein Zyklus um die 27 Tage – solange der Zyklus ungefähr gleich lang ist, gilt er als regelmäßig.
Kommt die Blutung in sehr kurzen Abständen (unter 22 Tagen), dann kann es sinnvoll sein, dies medizinisch abzuklären. Sind die Zyklen deutlich länger, ist das im ersten Jahr nach der Menarche kein Grund zur Sorge. Bleiben die Zyklen auch danach sehr lang, kann auch hier eine Diagnostik hilfreich sein. Insbesondere sollte überprüft werden, ob genug Nahrung und Nährstoffe aufgenommen werden, denn der Zyklus braucht viel Energie, um vom Körper durchgeführt zu werden.
Vorsicht ist geboten, wenn wohlmeinende Gynäkolog*innen zur “Zyklusregulation” die Pille empfehlen. Die Pille ist ein Medikament, das in den natürlichen Zyklusverlauf eingreift und ihn nicht reguliert, sondern ausschaltet. Wird die Pille irgendwann abgesetzt, tauchen meist genau die gleichen Probleme wieder auf. Besser ist es, direkt den Grund für die Unregelmäßigkeiten ausfindig zu machen und diesen Grund zu behandeln.
Im Shop von Kulmine gibt es zwei verschiedene Kalender: zum Kaufen und einen zum selbst Ausdrucken.
Mythos 4: Schmerzen sind normal
Dieser Mythos besteht leider auch heute noch und das nicht nur in Bezug auf die Menarche, sondern häufig auch ganz allgemein. Aber: Eine normale Menstruation tut nicht weh.
Eine normale Menstruation ist durchaus als körperlicher Vorgang wahrnehmbar, immerhin arbeitet hier ein Muskel (die Gebärmutter) daran, Gewebe abzustoßen und einen neuen Zyklus zu initiieren. Ein leichtes Ziehen zum Beispiel ist durchaus normal, wirklich starke Schmerzen haben aber immer einen Auslöser. Werden diese Ursachen gefunden, kann man in der Regel auch gute Lösungen dafür finden und die Schmerzen lindern.
Gerade wenn schon Mädchen Schmerzen bei der Blutung erleben, sollte dies unbedingt ernst genommen und der Ursache gründlich auf den Grund gegangen werden. In erster Linie wird dabei anfänglich immer erstmal geschaut, ob mit einfachen Mitteln und Tipps eine Besserung erreicht werden kann. In diesem Fall werden die Schmerzen als primäre Menstruationsschmerzen bezeichnet, weil sie nicht durch eine ernsthafte Erkrankung entstehen. Aber auch die muss man nicht aushalten!
Falls einfache Hausmittel nicht helfen, sollten Ursachen für eine mögliche sekundäre Dysmenorrhö ausgeschlossen werden. Von sekundären Menstruationsschmerzen wird dann gesprochen, wenn eine Erkrankung als Auslöser vorliegt. Dazu gehört unter anderem auch Endometriose. Diese Krankheit ist bei jungen Menschen seltener, aber kommt häufig genug vor, um sie abklären zu lassen. (Im Magazin gibt es auch einen Artikel, der weiter zur Endometriose informiert. )
Auch bei diesem Mythos muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Pille keine Lösung ist! Wird die Pille genommen, um Schmerzen zu lindern, so muss einem klar sein, dass es unter der Pille gar keine Menstruation gibt, sondern nur eine Abbruchblutung. Außerdem werden auch hier die Ursachen für die Schmerzen nicht geheilt, während gleichzeitig eine ganze Reihe von Nebenwirkungen möglich ist.
In diesem Artikel findest du eine gute Übersicht zu möglichen Nebenwirkungen, wenn die Pille in besonders jungen Jahren eingenommen wird:
Statt ohne Ursachenforschung auf die Pille zurückzugreifen, lohnt es sich, zu testen, ob mit einfachen Hausmitteln eine Linderung erfolgen kann. Dazu haben wir im Magazin eine umfassende Reihe geschrieben, die viele hilfreiche Tipps zu Menstruationsschmerzen versammelt:
- Achtsamer Umgang mit Menstruationsschmerzen, Teil 1: Was bedeutet primäre und sekundäre Dysmenorrhö?
- Achtsamer Umgang mit Menstruationsschmerzen, Teil 2a: Menstruationsschmerzen lindern durch Ernährung
- Achtsamer Umgang mit Menstruationsschmerzen Teil 2b: Menstruationsschmerzen lindern – Tipps und Umgangsmöglichkeiten
Mythos 5: Vor der ersten Blutung kann man nicht schwanger werden
Auch diese Vorstellung ist falsch. In den allermeisten Fällen findet vor der ersten Blutung auch der erste Eisprung statt und damit besteht auch in der Zeit vor der Menarche schon Fruchtbarkeit. Wer vor der ersten Blutung sexuell aktiv wird, sollte also unbedingt auch auf Verhütung achten.
Achtung: Es ist ganz und gar nicht sinnvoll, dass Mädchen schon vor der ersten Blutung “zur Sicherheit” die Pille nehmen. (So verhindert man übrigens auch, dass es überhaupt zur ersten Blutung kommt, denn während der Einnahme von hormonellen Verhütungsmitteln kann sich der natürliche Zyklus nicht einstellen und es findet keine Menstruation, sondern nur eine Abbruchblutung statt.) Überhaupt sollte, wenn irgendwie möglich, hormonelle Verhütung erst dann eingesetzt werden, wenn sich die betroffene Person nicht mehr im Wachstum befindet. (Die Probleme, die mit einer frühen Einnahme von hormonellen Verhütungsmitteln einher gehen, werden in diesem eben schon verlinkten Artikel beschrieben.)
Zusatz-Mythos: Menstruationsblut ist rot
Dieser Mythos ist weniger unter erwachsenen Menschen verbreitet, aber dafür umso mehr bei jungen Menschen, die ihre erste Blutung erwarten. Durch den Begriff “Blutung“ wird die Erwartung geweckt, dass dieses Blut ähnlich aussieht wie das, was man schon kennt: Nasenbluten zum Beispiel oder wenn man sich geschnitten hat.
Nun ist es tatsächlich so, dass das Menstruationsblut eigentlich nur zu einem kleinen Teil aus Blut besteht – und dieses kann außerdem auch ganz unterschiedliche Farben haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass mit der ersten Blutung direkt rotes und frisches Blut fließt, ist sehr klein. Vermutlich wird eher braunes “älteres“ Blut auftauchen, das auf den ersten Blick auch etwas erschreckend aussehen kann. In meiner Arbeit bekomme ich als häufigstes Feedback: Ich hätte gerne gewusst, dass Menstruationsblut nicht immer rot ist.
Wissen zu den Vorgängen im eigenen Körper ist immer wichtig. Doch wenn es um die Menarche geht, bekommt dieses Wissen eine spezielle Wertigkeit, weil es ein Ereignis ist, das die Beziehung zur Menstruation maßgeblich prägen kann.
Es ist darum von sehr großer Wichtigkeit, dass alle jungen Menschen, die kurz vor ihrer ersten Menstruation stehen, das Wissen erhalten, das sie brauchen, um die Blutung neutral oder vielleicht sogar positiv zu erleben. Dazu gehört auch, dass ihnen gesagt wird, dass das Blut ganz unterschiedlich aussehen kann.
Mit dieser Intention habe ich auch mein Buch “Lin und das Geheimnis des Zyklus“ geschrieben. Es ist randvoll gefüllt mit all dem Wissen, das zum Anfang der Pubertät gebraucht wird. Es enthält Wissen zur Anatomie, dem Zyklus und der Menstruation – verpackt in eine unterhaltsame und witzige Geschichte.
Zum Buch Lin und das Geheimnis des Zyklus im Kulmine Shop.
Was hätte dir geholfen, deine erste Blutung positiver zu erleben? Teile deine Erfahrungen gerne in den Kommentaren!