Kommt es dir manchmal so vor, als ob du vor deiner Menstruation häufiger kränkelst als in anderen Zyklusphasen? Das ist keine Einbildung! Der weibliche Zyklus mit seinen hormonellen Veränderungen beeinflusst zahlreiche Prozesse im Körper, darunter Energielevel, Stimmung, Herzfrequenz und eben auch das Immunsystem.
Das ist natürlich kein Zufall, sondern vielmehr ein cleverer Mechanismus der Natur: Zu bestimmten Phasen im Zyklus ist ein besonders aktiver Schutz vor äußeren Eindringlingen erwünscht, während in anderen Zeiten die körpereigene Abwehr etwas heruntergefahren wird, um eine potenzielle Schwangerschaft zu ermöglichen und aufrechtzuerhalten.
Das Immunsystem: unsere körpereigene Abwehr
Das Immunsystem ist ein lebenswichtiger Schutzmechanismus unseres Körpers. Es wehrt Krankheitserreger, Viren und Bakterien ab, schützt den Organismus vor unerwünschten körperfremden Stoffen und repariert krankmachende Zellveränderungen. Dazu müssen ganz unterschiedliche Komponenten zusammenarbeiten: Zum Immunsystem gehören zum Beispiel die Haut als mechanische Barriere nach Außen, das Blut und die Lymphorgane, die Abwehrzellen produzieren. Ohne diese körpereigene Abwehr würden wir an der kleinsten Infektion schwer erkranken – die Immunfunktion ist also ein äußerst wichtiger Prozess, den unser Körper in feiner Abstimmung mit allen anderen Vorgängen steuert und reguliert.
Auf diesen Steuerprozess nehmen die Sexualhormone Östrogen, Progesteron und Testosteron einen maßgeblichen Einfluss. Abhängig von der jeweiligen Zyklusphase reagieren sie mit den Immunzellen, um eine möglichst hohe Chance auf eine Schwangerschaft (und damit auf Fortpflanzung) zu ermöglichen. Obwohl es nur vergleichsweise selten tatsächlich zu einer Schwangerschaft kommt: Fruchtbarkeit bedeutet in erster Linie, dass der Körper grundsätzlich dazu in der Lage ist, schwanger zu werden. Wann und ob diese potenzielle Möglichkeit jemals realisiert wird oder nicht, ist eine individuelle Entscheidung – die Vorbereitungen dafür und die Auswirkungen der hormonellen Prozesse jedoch sind in jedem Fall spürbar. Spannenderweise spielen auch bei der Menstruation selbst und beim Wehenbeginn zahlreiche immunologische Vorgänge eine Rolle. Das Immunsystem steht also quasi im Dienst der Fruchtbarkeit – und zwar ganz unabhängig davon, ob ein Kinderwunsch besteht oder nicht.
Das Immunsystem im Zyklusverlauf
In der ersten Zyklusphase reifen in den Eierstöcken mehrere Eibläschen (sogenannte Follikel) heran. Deshalb wird diese Phase auch Eireifungsphase oder Follikelphase genannt. Während sie wachsen, bilden die Eibläschen Östrogene. Diese Hormone interagieren mit den Immunzellen der Lymphorgane, indem sie an deren Rezeptoren andocken. Sie stimulieren die Immunzellen und sorgen dafür, dass das Immunsystem besonders aktiv ist und mögliche Krankheitserreger abtötet, die eine Befruchtung verhindern könnten. Insbesondere in der ersten Zyklusphase haben Menschen mit Menstruationszyklus daher ein stärkeres Immunsystem als andere Menschen, was eine Studie im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) belegen konnte. In der Menopause, wenn das Östrogen absinkt, scheint dieser Effekt wieder nachzulassen. Gleiches gilt, wenn kein natürlicher Zyklus vorhanden ist – zum Beispiel durch Einnahme hormoneller Verhütungsmittel wie der Pille.
Kurz nach dem Eisprung sinkt der hohe Östrogenspiegel ab und die Zellen des Gelbkörpers beginnen damit, Progesteron zu bilden. Der Abfall der Östrogene bewirkt, dass das Immunsystem leicht heruntergefahren wird, um eine mögliche Einnistung zu tolerieren. Das ist nötig, da im Falle einer Befruchtung die Eizelle nun zur Hälfte aus körperfremden Zellen besteht. Eine sehr aktive Immunabwehr könnte die Eizelle daher möglicherweise als Eindringling interpretieren und sie angreifen. Um das zu verhindern, sinkt die Immunfunktion etwas ab – dadurch steigt in dieser Phase rund um den Eisprung die Infektanfälligkeit an.
Immunsystem und Menstruation
Während der nun folgenden zweiten Zyklusphase (auch Progesteron- oder Gelbkörperphase genannt) bereitet sich der Körper auf eine mögliche Schwangerschaft vor. In dieser Phase dominiert das Progesteron, allerdings werden auch weiterhin kleine Mengen Östrogen produziert. Wenn keine Befruchtung stattgefunden hat, fallen sowohl der Östrogen- also auch der Progesteronspiegel kurz vor der Menstruation stark ab. Dadurch wird die Immunabwehr erneut drastisch reduziert und der Körper ist anfälliger für Infekte. “Erwischt” uns dann tatsächlich ein Krankheitserreger, schwächt dieser Infekt den Körper. Da auch die Menstruation viel Energie und Nährstoffe kostet, werden in dieser Phase Infekte häufig als besonders kräftezehrend erlebt. Andersherum beeinflusst auch die Krankheit die Menstruation, die zum Beispiel schmerzhafter ausfallen kann, wenn gleichzeitig ein Infekt den Körper belastet. Einige Menstruierende beobachten außerdem, dass sie den Genesungsprozess während ihrer Blutung als langsamer empfinden.
Zyklusachtsamkeit für deine Gesundheit
Das Wissen um die Aktivität des Immunsystems in den unterschiedlichen Zyklusphasen, vor allem aber auch ein generelles Verständnis für die Vorgänge in deinem Körper, kann dir helfen, Infekten und Erkältungen vorzubeugen. Gerade in der Zeit vor der Menstruation sinkt bei vielen Menstruierenden das Energielevel ab und das Bedürfnis nach Ruhe und Rückzug steigt. Das ist vollkommen normal, denn dein Körper verbraucht in dieser Zyklusphase mehr Energie und Nährstoffe als vor dem Eisprung. Das bedeutet nicht, dass wir in dieser Zeit zwangsläufig weniger leistungsfähig sind. Genauso in Ordnung ist aber auch das Bedürfnis, sich während der Menstruation mehr Ruhe zu gönnen und eine Pause vom Alltag einzulegen.
Wenn du in dieser Zeit gut auf deine Bedürfnisse achtest, dir ausreichend Schlaf gönnst und nach Möglichkeit und Bedarf einen Gang zurückschaltest, hast du schon viel dafür getan, um deinen Körper sanft zu unterstützen und gesund in den neuen Zyklus zu starten. Außerdem kannst du in dieser Phase besonders gut darauf achten, dass du ausreichend Essen mit einem hohen Proteingehalt zu dir nimmst. Weiterhin kannst du deinen Körper unterstützen, indem du die Nährstoffe supplementierst, die du eventuell durch die Nahrung nur schwer oder in nicht ausreichender Menge aufnimmst. Um herauszufinden, welche Nährstoffe das für dich sind, kannst du eine Blutuntersuchung machen lassen. Interessant sein mögen: Vitamin D, B12, 6, Omega 3 und Magnesium. Diese Empfehlung gilt umso mehr, wenn Schilddrüsenprobleme vorliegen.
Die Macht der Hormone
Der enge Zusammenhang zwischen Hormonsystem und Immunabwehr wird aktuell noch weiter erforscht. Daraus ergeben sich spannende weiterführende Fragestellungen, wie zum Beispiel, ob es einen besonders geeigneten Zeitpunkt im Zyklus für Impfungen gibt, an dem eine optimale Immunantwort und Ausbildung von Antikörpern erwartet werden kann.
Aufgrund der Wechselwirkung von Immunsystem und Sexualhormonen leuchtet auch ein, warum beispielsweise nach Impfungen oder schweren Infekten Zyklusverschiebungen auftreten können. Diese sind in der Regel unbedenklich und nur kurzzeitig zu beobachten, bis sich der Körper erholt und der Zyklus wieder eingespielt hat.